Betrifft: Fume Events – Briefwechsel mit Bundesministerium f. Arbeit und Soziales, Minister Heil, SPD (+Antwort)

Reaktion?
Antwort des Ministeriums, Antwort DGUV
Die SZ hat leider nicht weiter berichtet

Im Juni 2018

Sehr geehrter Herr Hubertus Heil,
sicherlich ist Ihnen der umfangreiche Bericht der Süddeutschen Zeitung zum Thema „Gesetzliche Unfallversicherung, Das System der Verharmlosung“ nicht entgangen. Da Ihre Mitarbeiter*innen möglicherweise noch nicht dazu gekommen sind, diesen doch sehr umfangreichen Beitrag zusammengefasst zu übermitteln oder Sie selbst möglicherweise noch nicht dazu gekommen sind, diesen, eben doch sehr umfangreichen Artikel zu lesen, erlaube ich mir höflichst, mittels ein paar Stichpunkten Ihr Augenmerk auf dieses, scheinbar, ausgesprochen düstere Kapitel zu lenken.

Zunächst einmal lässt sich heraus lesen, dass die „Gesetzliche“ hauptsächlich, und gelinde gesagt, mit fragwürdigen Mitteln (darunter Beschäftigung sogenannter Gutachter ohne erforderliche medizinische Qualifikation), damit beschäftigt zu sein scheint, Ansprüche von betroffenen, bedürftigen Arbeitnehmer*innen a b z u w e h r e n.

Es scheint weiters so zu sein, dass die gesetzliche Unfallversicherung von denjenigen kontrolliert wird, gegen die sich mögliche Ansprüche richten.

Das Ergebnis, eine derart marginale Anerkennungsquote, dass der Verdacht aufkommen muss, bei dieser Gesellschaft handele es sich um eine Einrichtung zur Alimentierung von Vorstand und Angestellten dieses Hauses und Trutzburg der schädigenden und Sicherheit klein Schreibenden Industrieunternehmen (Sicherheit = Kostenfaktor), nicht aber um eine Einrichtung, die Geschädigten zu ihrem Recht und der notwendigen Rente verhilft.

Wie geschrieben, der Artikel ist recht lang. Es werden, unschwer erkennbar, schwere Vorwürfe erhoben.

Last but not least soll nicht unerwähnt bleiben, dass es letztmalig Herr Norbert Blüm (CDU) war (sehr verlacht wegen der „… sicheren Renten …“), der sich im Interesse der Geschädigten für eine Reform dieser Einrichtung einsetzte und eine solche Reform teilweise durchsetzte.
Seither hat es, wie man dem Artikel entnehmen kann, keine der zahlreichen sozialdemokratischen Arbeitsminister*innen geschafft, sich dieses Themas scheinbar überhaupt nur anzunehmen. Dies ist, wenn das stimmt, und leider muss ich das annehmen, wirklich kein Ruhmesblatt im Buch der Geschichte der Sozialdemokratie.

Ihre Stellungnahme erwartend

Mit den Besten Grüßen
Simon Lissner

P.S: Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich diesen Brief wegen des besonderen öffentlichen Interesses dieses Sachverhaltes Ihren Parteivorstand, den Vorstand der Jungsozialisten, der Redaktion der Süddeutschen informiere sowie an weiteren öffentlichen Plätzen wie soziale Netzwerke, zur Verfügung stelle. Sie können davon ausgehen, dass Ihre Stellungnahme selbstverständlich auf den selben Wegen bekannt gemacht wird.

Die Diskussion ist eröffnet. Ich hatte der DGUV zum Thema befragt. Die DGUV wehrt sich mit folgendem Artikel:
http://www.dguv.de/de/mediencenter/hintergrund/berichterstattung_sueddeutsche-zeitung/index.jsp

Die Antwort des Ministeriums:

Sehr geehrter Herr Lissner,
für Ihr Schreiben vom 30. Mai 2018 an Herrn Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, danke ich Ihnen. Sie weisen darin auf einen sehr umfangreichen Artikel in der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 26./27. Mai 2018 über die „Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.v.“ (DGUV) als Spitzenverband der gesetzlichen Unfallversicherung
hin und bitten um Stellungnahme.
Zunächst bitte ich Sie um Verständnis, dass die Antwort infolge der Bearbeitung anderer termingebundener Vorgänge so spät erfolgt. Zugleich darf ich darüber informieren, dass die kritisierte DGUV zu dem Artikel bereits selbst Stellung genommen (https://www.dguv.de/…/med…/hintergrund/berichterstattung sueddeutsche-
zeitung/index.isp) und ihre Bereitschaft erklärt hat, sich einer Diskussion über die Weiterentwicklung der gesetzlichen Unfallversicherung zu stellen.
Der Artikel befasst sich hauptsächlich mit möglichen gesundheitsschäden durch Verunreinigungen in der Kabinenluft von Verkehrsflugzeugen (sogenannte .Fume Events“), die aufgrund von Mängeln des Belüftungs- und Filtersystems entstehen können. Soweit es um die Prävention und um die Anerkennung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten des fliegenden Personals geht, ist seit längerem die Berufsgenossenschaft Verkehr mit der Frage möglicher Gefährdungen befasst. Allerdings ist bei der Symptomatik der betroffenen Personen bisher kein einheitliches Krankheitsbild zu erkennen. Nach dem bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand konnte ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und den Gesundheitsbeein-trächtigungen nicht eindeutig festgestellt werden.

Der im Artikel der SZ erwähnte wissenschaftliche Aufsatz zur Verursachung des .Aero-toxischen Syndroms“, der ‚von der WHO veröffentlicht wurde, liegt auch dem Ärztlichen Sachverständigen beirat „Berufskrankheiten“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor. Dieses unabhängige Beratungsgremium prüft, ob die wissenschaftlichen
Voraussetzungen für eine neue Berufskrankheit vorliegen.
Entgegen der Darstellung im Artikel der SZ definiert also nicht die DGUV, was als Gesundheitsschaden gilt. Die Festlegung eines Gesundheits-schadens, der zu einer anerkannten Berufskrankheit führt, wird vielmehr auf Basis einer wissenschaftlichen Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats „Berufskrankheiten“ per Verordnung der
Bundesregierung festgelegt. Hierzu erarbeitete Begutachtungsempfehlungen der DGUV entstehen im Konsens mit einer Vielzahl von medizinischen Fachgesellschaften; sie sind nicht bindend und von den Gerichten in vollem Umfang überprüfbar. Soweit in dem Artikel ein widersprüchliches Merkblatt zur .Malerkrankheit“ (BK-Nr. 1317
.Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel“) ausführlich dargestellt wird, handelt es sich um einen längst bereinigten Vorfall aus dem Jahr 2004. Alle Ablehnungsfälle in diesem Zusammenhang wurden seinerzeit nochmals von den Unfallversicherungsträgern überprüft. Nur in wenigen Fällen hatte die Passage aus dem Merkblatt Bedeutung für eine Ablehnung und alle zu Unrecht abgelehnten Fälle wurden korrigiert.
Hinsichtlich der als zu niedrig kritisierten Anerkennungsquoten ist ganz allgemein zu bemerken, dass jede Anzeige einer möglichen Berufskrankheit Chancen zur Prävention bieten kann. Daher ermuntert die gesetzliche Unfallversicherung zu großzügigem Anzeigeverhalten – auch wenn dadurch die Zahl der Ablehnungen steigen kann.
Abschließend weise ich darauf hin, dass der Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ sich aus erster Hand über die Erkenntnisse informieren wird, die an der .Furne Event Sprechstunde“ in der Ambulanz der Universität Göttingen in den letzten Jahren gewonnen wurden. Den Vortrag wird die Leiterin der .Furne Event Sprechstunde“, Frau Privatdozentin Dr. Astrid Heutelbeck, halten, die auch im Artikel der SZ als unabhängige und fachkundige Expertin anerkannt wird.

Mit freundlichen Grüßen

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