im Juni 2019
Nachdem die Verschärfung und weitere Ermächtigung der Polizei mithilfe des § 163 stpo bereits im September 2017, fast klammheimlich, jedenfalls bei nur geringen Protesten der Öffentlichkeit und der politischen Opposition in Berlin, verabschiedet wurde, unternimmt Seehofer nun den nächsten Anlauf, dem Bürgerrecht den größt möglichen Flurschaden zu besorgen.
Die Süddeutsche vom 31.5.19 (Ronen Steinke), berichtet von einem Vorstoß, verpackt in einem „… Paragrafenwust eines sehr langen und sehr viele Themen durcheinanderrührenden Gesetzentwurfs versteckt, dem `Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts´. Die wachsamen Leute der Organisation Reporter ohne Grenzen haben ihn gerade mit viel Mühe herauspräpariert“.
In diesem Gesetzentwurf ist neben anderem ein Angriff auf die Arbeit der Presse enthalten. Der Verfassungsschutz soll die Befugnis erhalten, Redaktionen und Journalisten ohne weiteres zu hacken. Zeugenschutz genoss bislang höchste Priorität von Verfassungsrang. Geschützt sind bislang besondere Personengruppen: Ärzte, Abgeordnete, Anwälte, Journalisten und Priester dürfen nicht ausgespäht werden (mit welchen Mitteln auch immer). Kein Richter soll mehr über die Ausnahme dieser Regel entscheiden, sondern künftig soll eine G10-Kommission (Artikel 10 GG, das Kommunikationsgeheimnis) bestehend aus vier Ex-Politikern im Ehrenamt (durch den Bundestag bestellt), alle paar Wochen tagend, über Verfassungsschutz – Angriffe gegen diese Personengruppe entscheiden. Die G10 Ergebnisse sind geheim.
Das zusätzlich pikante ist: Während die Regierungspolitik in Deutschland lauthals über die Einschränkungen der Pressefreiheit in Ländern wie Polen, Ungarn und der Türkei klagt, werden hier massive Schritte unternommen, es denen gleich zu tun – Das Gesetz lässt die „fünfte Berufsgruppe“, Journalisten, kurzerhand unter den Tisch fallen und streicht diesen Beruf aus dem Kreis der besonders Schützenswerten. Ertappt, lässt Seehofer verlauten, das sei ja gar nicht „intendiert“ gewesen (ebd.).
Mit dem „Geordnete Rückkehr Gesetz“ dürfte dem Bundesverfassungsgericht Arbeit ins Haus stehen. Unterbringung von Schutz suchenden in normalen Gefängnissen, Wahnvorstellung von geschlossenen Flüchtlingslagern, wahllose Abschiebe-Phantasien und dergleichen, haben fast alle Expertengruppen, NGO, Anwälte., Polizei und Demokraten kritisierend und protestierend auf den Plan gerufen.
Natürlich ist das längst nicht alles, und so wird sich diese Liste noch verlängern, solange diesem Innenminister die Gelegenheit bleibt, die Gesellschaft negativ zu verändern.
Hoffnungen in die politische, parlamentarische Opposition des Landes zu setzen, ist mindestens fragwürdig. Dass die Partei der Rechten in der Opposition dieses Gesetz eher begrüßen dürfte, steht nahezu gänzlich außer Frage. Auf die Linke und die Grünen wird die Öffentlichkeit einwirken müssen. Zuverlässig sind diese Parteien nicht unbedingt hinsichtlich der Verteidigung verfassungsmäßiger Rechte. Überall da, wo sie mit regieren, haben sich kontinuierend zu sogenannten Kompromissen zu Lasten der verfassten Rechte hinreißen lassen. Es ist ganz erstaunlich, mit welcher unverfrorenen Frechheit die politisch konservativ bis rechten Parteien (CDU/CSU) mit Unterstützung der regierenden Sozialdemokratie an Bürgerrechten rumsäbeln, während Vertreter*innen von Oppositionsparteien, gelegentlich selbst regierend, stets erklären, weshalb positive Bürgerrechte entweder „schwer zu erhalten“ seien, oder bereits eingeführte Verschärfungen nicht rückgängig gemacht werden können.
Den Eiertanz erlebte ich persönlich letztmalig um die Verschärfung der §§ 113/114, Widerstand gegen die Staatsgewalt. Die Definition, was nun als Widerstand gewertet wird, bleibt offen und es steht abzuwarten, was da an Fällen zur Anzeige gebracht wird. Ein Urteil sprechendes Gericht hat nur noch den Ermessensspielraum einer Gefängnisstrafe (3 Monate bis 5 Jahre Haft) und nicht mehr, in minder schweren Fällen, mit einer Geldstrafe zu ahnden. Die hessische Landesregierung nahm einen Vorfall zum Anlass, einen Gesetzentwurf einzubringen, der diese Verschärfung forderte. Auf Protest der LAG Demokratie und Recht (Facharbeitsgruppe der Partei DIE GRÜNEN) erklärten Grüne Regierungsmitglieder, dies „… (sei) Teil eines Deals. Für die Namenskennzeichnung der hessischen Polizei, Einbringung dieses alten CDU-Steckenpferdes – in die Innenministerkonferenz. Das kommt da eh nicht durch und also sei das ein guter Deal. Handfestes (Kennzeichnung) gegen Placebo (Verschärfung §113/114)“. Für die Bürgerrechte ein ganz schlechter Deal, wie wir heute wissen. Die Verschärfung ist nun Gesetz. Es brauchte nur einen weiteren Vorwand um es durch zubringen. Das lange Warten der Hardliner der hessischen CDU (und anderer), hat sich durchaus gelohnt.
Siehe zum Thema:
https://freiheitsfoo.de/2017/11/10/neuer-paragraph-163-stpo/
https://www.juraforum.de/gesetze/stpo/163-aufgaben-der-polizei-im-ermittlungsverfahren
https://www.anwalt.de/rechtstipps/aenderung-in-der-stpo-ab-hier-abs-stpo_114998.html